Anker der Liebe. Kinostart am 6. Juni 2019, ab 12. Juli 2019 auf DVD - Aviva - Berlin Online Magazin und Informationsportal für Frauen aviva-berlin.de Kunst + Kultur



AVIVA-BERLIN.de im November 2024 - Beitrag vom 19.06.2019


Anker der Liebe. Kinostart am 6. Juni 2019, ab 12. Juli 2019 auf DVD
Saskia Balser

Der spanisch-britische Spielfilm von Carlos Marques-Marcet nach dem Buch "Maternidades subversivas" von María Llopis mit Oona Chaplin, Geraldine Chaplin und Natalia Tena erzählt auf lockere und sinnliche Art die Geschichte eines lesbischen Paars, das gemeinsam mit einem heterosexuellen Freund die Familiengründung wagt. Damit wird das ungezwungene Leben, das die drei bisher geführt haben, auf die Probe gestellt.




Akt I: We can get another cat. / Wir können uns eine neue Katze holen.

Eva und Kat, beide in ihren Dreißigern, tuckern mit ihrem überladenen und unordentlichen, aber gemütlichen Hausboot sorgenfrei auf den Londoner Kanälen herum. Als ihre Katze stirbt, wünscht sich Eva etwas anderes, das das unkonventionelle Leben der beiden ergänzen soll: Ein Kind. Die Überlegungen werden konkreter, als Kats bester Freund Roger zu Besuch kommt und in einer feuchtfröhlichen Nacht spontan anbietet, als Spender zu dienen. Was in der Nacht noch für alle wie eine geniale Idee wirkt, bereitet der ohnehin schon verkaterten Kat am nächsten Morgen Kopfschmerzen. Nur widerwillig stimmt sie zu.

Akt II: You don´t have steady jobs. / Ihr habt keine feste Arbeit.

Roger bleibt vorerst bei seinen Freundinnen auf dem Boot und hält das Versprechen der letzten Nacht ein. Beim Abendessen mit Evas Mutter stößt das Dreiergespann jedoch auf Skepsis und entfacht eine Diskussion über Familiengründung "außerhalb der gesellschaftlichen Norm". Der Meinung von Evas Mutter "Letztendlich gibt es einen Grund dafür, dass das Leben so ist, wie es ist. Und es gibt einen Grund dafür, dass Familien so sind, wie sie sind." widerspricht Kat vehement und kritisiert das fehlende politische Engagement der Generation Evas Mutter, die in den 70ern in Kommunen gelebt hat und dann dennoch irgendwann wieder "konform" wurde: "Ich glaube, euch gefällt die Vorstellung von Rebellion, aber ihr wusstet immer, dass ihr euch früher oder später anpassen würdet. Und jetzt dürfen zwei Frauen eine Familie gründen, aber nur wenn wir genau das reproduzieren, was Heterosexuelle immer gemacht haben."

Akt III: A Kidneybean / Eine Kidneybohne

Nach einer Reihe missglückter Versuche wird Eva tatsächlich schwanger. Ein Besuch beim Arzt zeigt allerdings erneut stereotype, überholte Gedankenmuster, mit denen die drei konfrontiert werden, als zum Ultraschall nur eine Begleitperson mitkommen darf. Roger muss im Warteraum bleiben und darf die "Kidneybohne" auf dem Ultraschallbild erst später begutachten. Immer wieder stellen die werdenden Eltern fest, dass es für sie schwer ist, ihre unterschiedlichen Erwartungen und Bedürfnisse miteinander zu vereinen und vor der Heteronormativität ihrer Umwelt zu verteidigen.

Akt IV: But you´re here now. /Aber jetzt bist du hier.

Der in vier Akte geteilte Film fängt die unterschiedlichen Hürden auf, die Eva, Kat und Roger auf dem Weg zu einem Kind überwinden müssen. Dazu gehören sowohl rückständige gesellschaftliche Normen als auch persönliche Konflikte untereinander. "Anker der Liebe" bleibt dabei nicht auf der Oberfläche, sondern zeigt in vielen tiefsinnigen und ehrlichen Momenten verschiedene Perspektiven auf das Leben der drei Protagonist*innen jenseits von Konventionen. Etwas schade ist es deshalb, dass die Charaktere Eva und Kat doch ziemlich klassisch weiblich/männlich konstruiert sind: Eva ist feminin gekleidet, sehr emotional und vor allem ist sie diejenige, die sich das Kind wünscht und es auch austragen möchte. Kat dagegen trägt Lederjacke und Holzfällerhemden, hat mitunter eine schroffe Art und entzieht sich der Beziehungsprobleme indem sie ihrer Arbeit, dem Restaurieren von Booten (also Handarbeit) nachgeht. Trotz dieser klischeehaften Darstellung sind die Figuren jedoch authentisch und transportieren ehrliche Gefühle und Sorgen, die die Zuschauer*innen nachempfinden. Kamerafrau Dagmar Weaver-Madsen gelingt es zudem, die vielen Liebes- und Streitszenen, die im Hausboot auf engstem Raum stattfinden, in Kontrast zu setzen zu den weiten und ruhigen Kanallandschaften.

AVIVA-Tipp: Ein humorvoller und zugleich berührender Film mit wundervollen Darsteller*innen, zwischen denen die Chemie stimmt. Die Londoner Kanäle bilden zudem eine außergewöhnliche Kulisse und das Hausboot schafft eine intime und wohlige Atmosphäre, die den Film noch stärker macht.

Zum Regisseur: Carlos Marques-Marcet hat mit seinem Debütfilm "10.000km", in dem ebenfalls Natalia Tena und David Verdaguer die Hauptrollen spielten, eine Vielzahl von Preisen gewonnen, unter anderem den Goya Award für Best Directing Debut und den Special Jury Prize for Best Acting Duo beim SXSW Festival. Marques-Marcet lebt in Los Angeles und arbeitet dort als Regisseur, Schriftsteller und Redakteur. Das Drehbuch von "Anker der Liebe" wurde inspiriert durch das 2015 erschienene Buch "Maternidades subversivas" von María Llopis.

Zu den Hauptdarsteller*innen: Die spanische Schauspielerin Oona Chaplin ist die Enkelin von Charlie Chaplin und Tochter von Geraldine Chaplin, die auch im Film die Rolle ihrer Mutter übernimmt. Oona trat bereits im Alter von 17 Jahren auf dem Edinburgh International Festival auf und spielte seitdem in zahlreichen Filmen und Serien mit. Dazu gehören unter anderem der James-Bond-Film "Ein Quantum Trost" sowie die HBO-Serie "Game of Thrones". Natalia Tena, britische Schauspielerin und Musikerin spanischer Herkunft, spielte ebenfalls eine Figur in "Game of Thrones". Zudem war sie in der Oscar nominierten Komödie "Lady Henderson präsentiert" und in einigen Filmen der "Harry Potter"- Reihe zu sehen. Darüber hinaus ist sie am Theater tätig und unterstützt die Menschenrechtsorganisation "Survival International".

Anker der Liebe
Originaltitel: Anchor And Hope
Spanien, Großbritannien 2017-2018.
Regisseur: Carlos Marques-Marcet
Darsteller*innen: Oona Chaplin, Natalia Tena, Geraldine Chaplin, Charlotte Atkinson, Trevor White, David Verdaguer, Meghan Treadway
Drehbuch: Jules Nurrish, Carlos Marques-Marcet
Kamera: Dagmar Weaver-Madsen
Schnitt: Carlos Marques-Marcet, Juliana Montañés
Musik: Merche Blasco
Produzent*innen: Tono Folguera, Sergi Moreno, Sophie Venner
Sprachen/Tonformat: Englisch/Spanische Originalfassung in Dolby Digital 5.1 & 2.0
Untertitel: Deutsch, Niederländisch, Englisch (partiell)
Tonformat: Dolby Digital 5.1 & 2.0
Bildformat: 16:9 (2,35:1 – Cinemascope)
FSK: 12 Jahre
Label/Vertrieb: PRO-FUN MEDIA
Laufzeit: ca. 113 Min
Kinostart: 6. Juni 2019
DVD VÖ: 12. Juli 2019

Mehr Infos zum Film, der Trailer, sowie Kino- & Festivaltermine unter: www.pro-fun.de
Der Film wurde im Rahmen der Freiburger Lesbenfilmtage gezeigt, die vom 19. – 23. Juni 2019 stattfanden.

Auszeichnungen / Festivalteilnahmen (Auswahl):
- GAUDI AWARD "Bester Nicht-Spanischer Film" & "Bester Hauptdarsteller" - Catalan Academy of Cinema, Barcelona
- "Special Jury Preis" & "Media Jury Preis" - Prishtina International Filmfestival
- Sant Jordi Awards "Bester Film" & "Bester Darsteller" - Region Katalonien, Barcelona
- "Bester Film" - Seville European Filmfestival
- "Beste Nebendarstellerin - Geraldine Chaplin" - Spanish Actors Union

Weiterlesen auf AVIVA-Berlin:

Svenja Gräfen – Freiraum
In ihrem zweiten Roman thematisiert die Poetry-Slammerin und feministische Aktivistin Svenja Gräfen ("Das Rauschen in unseren Köpfen") den Ausbruch eines jungen Paars aus dem Großstadtleben, hinein in ein alternatives Wohnprojekt, das seine ganz eigenen Tücken hat. (2019)

Nicht nur Mütter waren schwanger. Unerhörte Perspektiven auf die vermeintlich natürlichste Sache der Welt. Herausgegeben von Alisa Tretau
Der Sammelband vereint verschiedene Eindrücke und Perspektiven zum Thema Schwangerschaft in einer heteronormativen Gesellschaft. Überhörte Stimmen zum Thema Kinderwunsch, Schwangerschaft und Elternsein. (2019)

Patricia Hempel – Metrofolklore
Lässt sich heillose Romantik mit beißendem Sarkasmus verbinden? Die freie Journalistin (Politikressort bei Forum - Das Wochenmagazin) Patricia Hempel schafft diesen Spagat in ihrem Erstlingsroman über eine Archäologiestudentin, die ihre unerreichbare Traumfrau mit Minnesang und antiken Idealen anschmachtet, während sie gleichzeitig ihr Umfeld mit spitzer Feder aufspießt. Dabei schert sich die Geschichte aus dem Berliner Student_innenleben einen feuchten Kehricht um Political Correctness. (2017)

Anya Steiner - Mutter, Spender, Kind
Privater Spender, anonyme Samenbank oder Adoption? Die Berliner Autorin und Betreuerin des Internetforums für Singlefrauen mit Kinderwunsch porträtiert sechzehn Frauen, die eine Familie gründen. (2015)

Zwei Mütter - Ein dokumentarischer Spielfilm von Anne Zohra Berrached. Ab 25. Juni 2013 auf DVD
Ein Erzeuger ja, ein Vater nein. Das ist der Deal, den Katja und Isabella beschließen, die mithilfe einer Samenspende Eltern werden wollen. Doch das verwirrende Dickicht diskriminierender Gesetze und zahlreicher Hindernisse droht einen Keil zwischen die beiden zu treiben. (2013)

Tania Witte - Leben nebenbei
In ihrem Fortsetzungswerk erzählt die Autorin, wie es mit den ProtagonistInnen aus ihrem Romandebut "Beziehungsweise Liebe" weitergeht. Größtenteils genderqueere Identitäten wirbeln im Berliner Großstadtleben erneut heteronormative Begehrensstrukturen durcheinander. Der Einsteig ist auch möglich, ohne den Vorgängerroman gelesen zu haben. (2012)

The Kids Are All Right - Ein Film von Lisa Cholodenko. Ab 18. November 2010 im Kino
Dies war der Film, über den auf dem Sundance Film Festival 2010 am meisten gesprochen wurde. Und auch auf der diesjährigen Berlinale sorgte er für Aufsehen und gewann den Teddy Award als Bester Film. (2010)





Kunst + Kultur

Beitrag vom 19.06.2019

AVIVA-Redaktion